Samstag, 20. Januar 2024

Eine Straßenbahn hat mehr Anhänger als Gay-Lussac

So könnte man meinen, denn hier in Casablanca war mal eine Straße nach ihm benannt. Der Gute hat sich einst in den Bereichen Chemie und Physik verdient gemacht, ist aber vor allem eins gewesen: Franzose. Dies wiederum hat zur Folge, dass man zu Kolonialzeiten ebenjene Straße nach ihm benannt hat.
Spätestens mit dem Erreichen des Halbfinales bei der letzten Fußball-WM hat sich der Wind gedreht, nach und nach werden immer mehr Namen aus der französischen Zeit entsorgt und durch lokale Dinge ersetzt. So hat es eben auch den guten Gay-Lussac erwischt. Ihm selbst ist es vermutlich egal, er ist seit dem Jahr 1850 nicht mehr unter den Lebenden. Die aber noch am Leben sind, haben es im Moment etwas schwer, denn in der Übergangsphase firmiert die Straße unter zwei Namen. Es gibt Schilder zuhauf, denn natürlich ist der Name sowohl auf Arabisch als auch mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Immerhin letzteres kann ich auflösen. Ist aber eigentlich auch egal, da die meisten Casablancaer, Casablancen Einwohner Casablancas sowieso nicht mit Straßennamen operieren. Hier gelten viel mehr andere Bezugspunkte als, nun ja, Bezugspunkte.
Moscheen, Kinos, Banken, Kreuzungen und was sonst noch so im Laufe der Jahre gebaut worden ist, werden zur Orientierung herangezogen. Somit ist die Wegbeschreibung zum Flughafen dann ungefähr die Folgende: Die Straße runter bis zur zweiten Kreuzung, dann am Bahnhof zum Gleis ganz rechts und mit dem Zug dann bis zur letzten Station fahren.

Straßennamen in Casablanca
Neue Straße

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Lost in Transcription
Laufend zum Ziel
Av. W3 Sul Quadra 704 Bloco M Casa 09
Schnitzeljagd durch Buenos Aires

Donnerstag, 18. Januar 2024

Zulässiges Gesamtgewicht

Hier kommen sie, die Bilder von Afrikas Straßen, auf die der eine oder die andere vielleicht schon gewartet hat. Eine durchaus repräsentative Auswahl:

Vollbeladenes Auto in Sierra Leone
Zimmi, Sierra Leone

Vollbeladenes Auto in Sierra Leone
Koidu, Sierra Leone

Vollbeladenes Auto in Guinea
Kindia, Guinea

Vollbeladenes Auto in Guinea
Kindia, Guinea

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Sehen und gesehen werden
Mitarbeiter des Monats
Groß - größer - zu groß
Auf die Größe kommt es an

Mittwoch, 17. Januar 2024

Aller guten Dinge sind 14

Seit ein paar Tagen läuft der Afrika Cup 2023. Aus unterschiedlichen Gründen ist das Turnier mehrfach verschoben worden, sowohl Termin als auch Austragungsort haben sich ein paar Mal geändert. Guinea hat bisher 13-mal am Turnier teilgenommen, als bestes Resultat steht eine Finalteilnahme zu Buche. Das war als Helmut Schmidt Bundeskanzler und Borussia Mönchengladbach Deutscher Fußballmeister war.
Das Land hat sich zwischenzeitlich auch mal in der Gastgeberrolle gesehen, den endgültigen Zuschlag hat aber die Cote d'Ivoire erhalten. Das tut der Stimmung im Lande jedoch keinen Abbruch, die Euphorie ist schier grenzenlos. Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, aber ich sehe die Truppe maximal im Viertelfinale und die Buchmacher bestätigen mich.
Seit Turnierbeginn befinde ich mich im Lande und gleich am ersten Tag ist mir aufgefallen, dass wirklich überall Fanutensilien verkauft werden. Am Tag des ersten Vorrundenspiels von Guinea erreicht das Eskalationslevel jedoch ungeahnte Ausmaße. Bereits acht Stunden vor Spielbeginn tanzen in Kindia Menschen auf der Straße, Tröten in den Landesfarben kommen exzessiv zum Einsatz. Es werden überall Fanutensilien verkauft. Am Taxistand, sieben Stunden vor Anpfiff. Jemand führt aus Gründen ein Schaf an einer Leine herum, das Tier hat Bändchen in den Farben Guineas an den Ohren. Fünf Stunden vor Spielbeginn, auf dem Weg in die Hauptstadt. Menschen sind auf den Straßen unterwegs. In Nationaltrikots. Autos sind auf den Straßen unterwegs. Mit Nationalflaggen bemalt. Landesfahnen wehen ohne Ende. Es werden überall Fanutensilien verkauft.
In der Hauptstadt Conakry, dreieinhalb Stunden vor Anpfiff. Das Sammeltaxi kämpft sich durch eine Straßensperre tanzender Fans. Alle sind in Nationalfarben geschmückt: Perlen im Haar, Ohrringe, Armbänder, Farbe im Gesicht. So gut wie alle Geschäfte haben an diesem Montagnachmittag längst geschlossen. Auf der Fähre zur Île de Kassa. Ein Anruf für die Frau, die neben mir sitzt. Am anderen Ende: Geschrei, Tröten, Pfeifen, Jubel. Im Hafen in Conakry werden überall Fanutensilien verkauft. Auf der Île de Kassa wird Fußball in den Straßen gespielt, Musik dröhnt aus Lautsprechern, Tröten sind nicht zu überhören.
Zu Spielbeginn in einer Strandbar vor einem alten, kleinen Fernseher mit einer Handvoll Locals. Zur Nationalhymne stehen alle auf und singen mit. Guinea geht 1:0 in Führung. Jubel ist untertrieben, aus einer Handvoll werden schlagartig zwei Handvoll Locals. Kurz vor der Pause, eine rote Karte für Guineas Kapitän. Die Stimmung erreicht ihren Tiefpunkt als Gegner Kamerun kurz nach der Pause den Ausgleich erzielt, aber Guinea kann das Unentschieden halten. Am Ende sind alle zufrieden. Falls es wieder nicht mit dem Titel klappt: An mangelnder Unterstützung aus der Heimat hat es definitiv nicht gelegen.

Ohrringe in den Farben Guineas
Die Nationalfarben

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Aus und vorbei
Vorfreude schönste Freude
Uwe Seeler
Nachmittags in einem Café

Dienstag, 16. Januar 2024

Die Vor- und Nachteile eines Zentrallagers
am Beispiel von Guineas größtem Treibstofflager

Hat man ein Zentrallager, weiß man was man wo hat. Damit ist das Ende der Liste mit den wesentlichen Vorteilen erreicht. Kommen wir zum wesentlichen Nachteil: Fliegt dieses Lager in die Luft, hat man zwei Dutzend Tote und ein für neun Tage brennendes Zentrallager. So geschehen vor knapp vier Wochen hier in Guinea. Dann ist guter Rat teuer und das Benzin ebenso. Aber das ist eigentlich auch egal, wenn es einfach nichts davon zu kaufen gibt. In den ersten Tagen nach dem Brand ging buchstäblich gar nichts mehr vorwärts. Nur wer einen kennt, der einen kennt, hat auf mysteriöse Art und Weise etwas bekommen können.
Zurzeit ist die Versorgung immer noch recht überschaubar. Je weiter weg von der Hauptstadt desto schlimmer. Das merkt man bereits vor der Einreise, 50 Kilometer vor der Grenze. Dort befindet sich in Kamakwie die letzte Tankstelle auf Seiten Sierra Leones. Bereits hier ist der Tankwart plötzlich bester Freund, Leute kommen aus weit entfernt liegenden Dörfern, um sich zu bevorraten. Denn in Grenznähe wird das Benzin an motorisierte Guineer weiterveräußert. Diese können den Stoff aktuell im eigenen Land nur in kleinen Mengen bekommen, die Ausgabe ist stark rationiert. Uniformierte kontrollieren Zugang und Abgabemenge, Interessierte werden nur grüppchenweise durch die Absperrung vor der Tankstelle gelassen.
Ansonsten versucht man zu sparen wo es nur geht, ich bin mal auf einem Motorrad bei abgeschaltetem Motor knappe zehn Kilometer bergab gerollt. Zumindest auf die Geräuschkulisse hat das alles also einen positiven Effekt.

Andrang an einer Tankstelle in Kamakwie, Sierra Leone
Die Ankunft des Tanklasters hat sich rumgesprochen

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Molotow-Cocktail
Versorgungslücke
Es wird langsam ungemütlich
Gähnende Leere

Sonntag, 14. Januar 2024

Sehen und gesehen werden

Hierzulande sollte man eines unter wirklich überhaupt gar keinen Umständen ernsthaft in Betracht ziehen: Sich im Dunkeln in einem fahrenden Fahrzeug aufhalten. Ich habe heute nach Sonnenuntergang noch anderthalb Stunden in einem Sammeltaxi zugebracht und das Geschehen aus Reihe eins verfolgen können. Wenn man dabei die Augen zumacht, ist es gar nicht so schlimm.
Unterwegs sind wir in einem VW Vento, im günstigsten Fall 25 Jahre alt, das Fahrzeug wird seit Anfang 1999 nicht mehr produziert. Genau genommen handelt es sich um einen VW Vent, das "o" ist sicher irgendwo zwischen hier und Cotonou, dem größten Automarkt Afrikas, verloren gegangen. Die Frontscheibe verfügt über diverse Schmutzflecke, nicht mehr funktionstüchtige Scheibenwischer, dauerhaft in mittiger Position befindlich, und einen Riss, der sich über die volle Breite der Scheibe erstreckt. Das mit Abstand Hellste am Auto ist die Ölwarnlampe, die sicher schon seit sehr geraumer Zeit dunkelrot leuchtet. Gefahren wird mit Standlicht, die Sichtweite beträgt irgendwas um die zehn Meter. Aber nur, wenn nicht am Straßenrand ein massives Feuer lodert und der Rauch die Sicht einschränkt. Es ist beinahe apokalyptisch.
Außer uns auf der Nationalstraße 1 unterwegs: Überladene Motorräder, überladene Kleintransporter und überladene Fußgänger. Dazu leere amerikanische Schulbusse. Allesamt im besten Fall mit ausbaufähiger Beleuchtung ausgestattet. Im schlechtesten Falle unbeleuchtet. Dazwischen gibt auch noch etwas, nämlich Autos mit nur einem Licht - natürlich auf der Seite zum Fahrbahnrand hin. Einzig und allein die riesigen LKWs sind schon von weitem gut zu erkennen, irgendwo scheint es also tatsächlich auch hier eine Schmerzgrenze zu geben.

Autofahrt bei Nacht in Guinea
Überholvorgang im Gegenverkehr

Autofahrt bei Nacht in Guinea
Überholvorgang in Fahrtrichtung
(Man beachte den Mitfahrer auf dem Dach)

Autofahrt bei Nacht in Guinea
Feuer!

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Zulässiges Gesamtgewicht
Wir müssen über Frontscheiben reden
Alles hat ein Ende
Taxi Taxi

Samstag, 13. Januar 2024

Ausgangs-Basis

Nach sehr zähen Verhandlungen über die Vergütung des kommenden Transfers harre ich der Dinge, die da kommen werden. Mein Motorradfahrer muss sich noch für die Überlandfahrt zur Grenze umziehen. Ich sitze im Schatten vor einem der zahllosen Verkaufsstände für alles Mögliche in Kamakwie, Sierra Leone. Wie so viele vor und so viele nach ihm erkundigt sich ein Herr, wohin ich denn mit all meinem Gepäck will. Nach Guinea.
Da wird er hellhörig, denn wie sich herausstellt ist er Chef der hiesigen Niederlassung der Einwanderungsbehörde und im Übrigen sitzt heute niemand mehr im Grenzhäuschen am anderen Ende der 60 Kilometer langen Holperpiste. Das sei nur von einem Freiwilligen besetzt, der heute schon nach Hause gegangen ist. Die Grenze ist zwar geöffnet, aber aus Sierra Leone ausstempeln lassen kann ich mich nur hier. Zum Glück ist der eigentlich vom Gastgeber vor Ort am Vorabend verpflichtete Fahrer heute Morgen nicht aufgetaucht. Mit ihm wäre ich wohl umsonst zur Grenze gefahren. Das ist etwa eine 9,5 auf der nach oben offenen das-ist-Afrika-Skala.
Aber Afrika ist eben auch, dass der Verantwortliche sich eigentlich etwas zu trinken kaufen wollte, aber stattdessen ohne zu Zögern mit auf das Motorrad steigt. Der Fahrer macht einen kleinen Umweg durch das Dorf und fährt uns zu irgendeinem Haus. Weit und breit ist kein Hinweis auf irgendeine Art von Dienststelle zu finden. Es handelt sich aber tatsächlich um sein Büro, der Offizielle kramt auf der Suche nach dem richtigen Stempel erst einmal diverse Schubladen durch. Den Stempel hat er irgendwann gefunden, fehlt noch die Farbe für das Stempelkissen. Ach, und ob ich einen Stift dabei hätte. Der Freiwillige scheint seinen Job ansonsten ziemlich ernst zu nehmen, jedenfalls hat hier schon lange niemand mehr auch nur irgendetwas gestempelt. Allerdings sieht der Abdruck im Reisepass am Ende doch ganz offiziell aus.
Der Holzverschlag weiter nördlich ist drei Stunden später tatsächlich unterbesetzt, aber alle weiteren Kontrollposten vor und auch die Kollegen nach der Grenze akzeptieren meinen Pass. Willkommen in Guinea!

Ausreisestempel Sierra Leone
Gibts so nur in Kamakwie

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Gelegenheit macht Visum
Fehlpass
Hausmeister Krause
Stempeln gehen

Donnerstag, 11. Januar 2024

Scheinwelt

Vor kurzem hat Sierra Leone seine Währung neu konzipiert und aufgrund der grassierenden Inflation einfach drei Nullen gestrichen. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben. Das ist leider zu kurz gedacht, erst recht in einem Land, in dem Bargeld die unumstrittene Nummer eins ist.
Der größte Schein hat nun statt 20.000 nur noch einen Nennwert von 20 Leones, umgerechnet aber nach wie vor ungefähr 80 Cent. Daraus ergibt sich am Geldautomaten ein rein mathematisches Problem: Handelsübliche Maschinen verfügen über einen Ausgabeschacht, der maximal 40 Scheine auf einmal durchlässt. Bei einem Durchlauf sind also maximal um die 32 Euro zu erwarten. Wohl dem, der über eine Geldkarte verfügt, die das kostenlose Abheben im Ausland erlaubt. Und einen Geldautomaten erwischt, der tatsächlich so viel auf einmal ausspuckt. Oder überhaupt etwas ausspuckt.
Eine andere Alternative ist natürlich wie überall auf der Welt der Bargeldumtausch. Dafür muss man dann aber wochenlang mit nennenswerten Bargeldbeträgen durch Westafrika reisen. Genau mein Humor. Der Schwarzmarkt auf der Straße gilt hier als das Mittel der Wahl, gleich im ersten Hotel habe ich nach den Jungs gefragt. Dazu die klare Antwort: Geh zur Tankstelle und sie werden dich finden.
Tatsächlich stehen dort ein paar Lokalmatadore mit dem typischsten aller afrikanischen Accessoires herum, einem Rucksack. Für einen Dollar bekommt man etwas mehr als der offizielle Kurs eigentlich hergibt, für einen Euro minimal weniger. Vor allem bekommt man aber: Gewicht. Und Humor haben die Jungs auch. Fragen sie doch tatsächlich, ob ich den Betrag in 20-er Scheinen ausgezahlt haben möchte. Möchte ich, ansonsten bräuchte ich nämlich einen LKW für den Abtransport.

Sierra Leones Währung - Leones
400 Euro in kleinen Scheinen

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Währenddessen in Venezuela
Klein aber oho
Krisenzeiten
Nur Bares ist Wahres